
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Legenden
Es gibt kaum einen Ehrentitel, der im Sport so inflationär verwendet wird, wie der Begriff Legende. Die Sport-Vermarktung muss ja auch sprachlich unterfüttert werden, und so taugt jeder noch so junge Bengel nach irgendeiner Statistik zur Legende. Was aber sind eigentlich Legenden?
Das Wort legenda bedeutet „das, was man lesen soll“. Und was soll gelesen werden? Es ist eine Lesung über das Leben eines Heiligen an dessen Namenstag, wenn eine gottesdienstliche Feier stattfindet. Diese Erzählungen sind Beispielgeschichten von Märtyrerinnen und Märtyrern, die als Vorbilder in ihrem Martyrium nach einem bestimmten Muster stilisiert wurden, auch wenn über sie keine historischen Nachrichten mehr vorlagen. Als Heilige lebt ihr Name seit Jahrhunderten weiter, das macht sie zu Legenden. Wollen unsere Sportler in diesem Sinne einmal Legenden werden, dann muss ihre Biographie etwas erzählen, was für andere Menschen beispielhaft ist.
Menschen, die trotz großen Widerstands ihren Weg gehen, können für andere zur Anregung und Bereicherung werden, zu einer Quelle der Lebensweisheit und Kraft. So war z. B. Muhammad Ali ein Leitstern für den Kampf der Schwarzen um Anerkennung. So war der Läufer Emil Zatopek ein Vorbild an Ausdauer und Mitmenschlichkeit, dem man nach der Niederschlagung des Prager Frühlings seine Menschenwürde nehmen wollte. Sein Name wurde aus Schulbüchern gestrichen. Aber seine Inspiration für das Laufen lebt noch nach dem Ende der UdSSR.
Der Heilige Sebastian ist der Heilige der Sportlerinnen und Sportler. Dessen Legende besagt, dass er unter Diokletian zum Tode verurteilt wurde, weil er sich als Christ um Gefangene gekümmert hatte und sein Christsein öffentlich verteidigte. Eine Hinrichtung mit Pfeilen hat er überlebt. Er ist eine Legende wegen seiner körperlichen Ausdauer und seiner Tatkraft bei der Verbreitung und der Verteidigung des Glaubens. Die Welt braucht Menschen, die zu Legenden werden, die sich für Mitmenschlichkeit und gegen Rassismus und Intoleranz einsetzen und dafür geradestehen, weil ihr Glaube ihnen Kraft gibt. Wenn Sportlerinnen und Sportler Rekorde in ihrer Sportart verbuchen können, werden sie berühmt. Legenden in unserem Sinne werden sie erst, wenn sie für uns Vorbilder für Versöhnung und Toleranz werden, für Fairness und Mitmenschlichkeit trotz politischem und wirtschaftlichem Druck.

Clemens Becht
Pfarrer der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Marien, Pfarrbezirk VI (St. Lukas)
Es geht wieder los
Wenn es März wird, geht mir immer durch den Kopf „Im Märzen der Bauer die Rosse anspannt“. Ich spüre es: Es geht wieder los! Nicht nur bei mir: Gärten werden bearbeitet, Felder bestellt, Samen gesät. Die Erde duftet nach Neubeginn, nach Wachstum, nach Zukunft. Wer gärtnert oder das Feld bestellt, weiß um die Freude und Mühe der Arbeit.
Jesus war das nicht unbekannt: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“ (Lk 9,62).
Ist Rückblick verboten? Ist Erinnern falsch?
Beim Pflügen in alter Zeit war es wichtig, den Blick nach vorn zu richten. Wer sich nach hinten umdrehte, lief Gefahr, die Furchen krumm zu ziehen und das Feld ungleichmäßig zu bestellen. Eine klare Ausrichtung nach vorne war entscheidend. Doch zugleich wissen wir: Rückblicke sind wichtig. Bauern lernen aus früheren Ernten, Gärtner erkennen, wo im letzten Jahr die Tomaten besser wuchsen. Ohne Erinnerung gibt es kein Lernen, keine Tradition, keine Dankbarkeit für das, was war.
Aber es gibt einen Unterschied: Wer sich nur umdreht, wer in der Vergangenheit verharrt, kann das Neue nicht gestalten. Jesus ruft nicht zur Gedankenlosigkeit, sondern zur Entschlossenheit. Wer ihm folgt, soll sich nicht in alten Fehlern oder verpassten Chancen verlieren, sondern mit Vertrauen nach vorne gehen.
Ich habe ein Bild von van Gogh vor Augen: „Landschaft mit Haus und Pflüger“. Das Bild spiegelt van Goghs Faszination für das ländliche Leben und die Arbeit der Bauern wider und es ist das, was neben mir so viele Menschen empfinden: Freude an der Garten- und Feldarbeit sowie die Bedeutung des Voranschreitens ohne ständiges Zurückschauen.
Es geht nicht darum, dass Rückblick verboten ist. Sondern darum, ob unser Blick nach hinten uns lähmt oder uns hilft. Erinnerungen können ein Schatz sein – oder eine Last. Wer mit Gott unterwegs ist, kann lernen: Die Vergangenheit gehört zu uns, aber die Zukunft gehört Gott. Und den Glauben an die Zukunft sind wir uns selbst, unseren Lieben und Gott schuldig.
Also: Es geht wieder los! Die Erde wartet darauf, bestellt zu werden, genauso wie unser Leben. Gott hat einen neuen Frühling für uns bereit. Der Pflug liegt in unseren Händen – in welche Richtung schauen wir?

Pfr. Eckhard Hagemeier
vertritt die Vakanz in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Hille
Zu Fuß durchs Dorf
Am letzten Sonntag, dem Wahlsonntag, gingen bei frühlingshaftem Wetter viele Menschen zu Fuß durch unser Dorf zum Wählen. Nach dem Winter, wo wir uns oft nur aus den Autos zugewunken haben, war das richtig schön. Man traf sich auf dem Weg oder vor dem Wahllokal, um sich zu unterhalten über die Wahlbeteiligung oder um zu fragen wie es geht und was die anderen in der Familie so machen. Die oft genannte deprimierte Stimmung konnte ich nicht feststellen. Im Gegenteil: Es gab viel Beteiligung, den Wunsch mitzumachen und Meinungen und Einschätzungen von anderen zu hören.
Das könnten wir eigentlich öfter machen: Zu Fuß gehen und auf diese Weise auch die Umwelt zu schonen, erzählen und zuhören. Das gute Zuhören ist jetzt auch den Politikern und Politikerinnen zu wünschen, die in einer zukünftigen Regierung ohne Verständnis füreinander und Kompromisse nicht auskommen werden. In vielen evangelischen Gottesdiensten wird morgen die biblische Geschichte von Maria und Marta aus Lukas 10 erzählt. Maria setzt sich zu Jesus und hört ihm zu, statt sich abzuhetzen. Wenn nach dem Karneval nun bald die Passionszeit beginnt, dann ist das eine Zeit, um innezuhalten, auf Gottes Worte zu hören und auch die ersten Zeichen des Frühlings zu genießen.
Ein hoffnungsvolles und fröhliches Wochenende wünscht Ihnen

Mirjam Philipps
Pfarrerin der ev.-luth. Kirchengemeinde Windheim