
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Helfen und sich helfen lassen
„Ich muss mal etwas loswerden“, sagt die junge Frau am Anfang des Gesprächs. Dann packt sie ein ganzes Sorgen-Paket aus: Die Arbeit, die ihr zu viel wird. Das Geld, das immer knapp ist. Der Partner, der zu viel trinkt und dann laut wird. Das Sprechen entlastet sie. Im Gespräch kann sie überlegen, ob sie sich traut, in eine Angehörigengruppe zu gehen. „Es war gut, dass ich das alles erzählen durfte“, sagt sie und bedankt sich. Dann ist das Gespräch zu Ende. Nur im Kopf der Zuhörerin geht es weiter. Die Sorgen der jungen Frau beschäftigen sie auch später noch. Sie berichtet davon in der Supervisionsgruppe. Abschalten geht nicht. „Wie könnte ich helfen? Hätte ich besser reagieren können?“ Das Gespräch ist ihr nachgegangen. Sie merkt, dass das nicht guttut. Abschalten ist notwendig.
Eine Gegengeschichte zu einem solchen „Grübel-Karussell“ findet die Gruppe in der Bibel. Es ist die Geschichte des barmherzigen Samariters. Der Samariter kommt an einem verletzten Mann vorbei. Er fragt nicht lange, er kümmert sich. Hört, was schmerzt. Sieht, was zu tun ist. Er versorgt ihn fürs Erste und bringt ihn in ein Gasthaus. Der Samariter vertraut den Verletzten dem Wirt an und verspricht, wiederzukommen. Mehr geht in diesem Moment nicht.
Es geht ums Helfen, Kümmern, ums Zupacken. Ja! Aber die Geschichte zeigt auch: Der Samariter nimmt den Verletzten nicht mit. Er bleibt auch nicht, bis der andere wieder gesund ist. Er zieht weiter.
Vom Samariter lernen wir: Wenn getan ist, was zu tun ist, darf ich auch loslassen und abgeben, was mir Gedanken macht.
Das hört sich einfach an. Oft geht das nicht. Oft können Probleme nicht einfach so abgegeben werden wie ein Päckchen auf der Post. Aber wir können uns erinnern: Ich darf auch abgeben! Ich habe das Mögliche getan.
Der Mitarbeiterin in der Supervision hilft diese Sicht. „Manchmal hilft mir“, erzählt sie, „was mich beschäftigt, im Gebet auszusprechen. Spätestens wenn ich mich im nächsten „Grübel-Karussell“ drehe, will ich das wieder üben.“

Petra Ottensmeyer
Pfarrerin, TelefonSeelsorge Ostwestfalen
Kleine Kinder – kleine Sorgen…
Haben Sie Kinder? Dann kennen Sie sicher den Satz: „Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große…“. An diesem Sonntag denkt die Kirche an eine Frau und Mutter, die davon ein Lied singen könnte.
Die hl. Monika lebte in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Nordafrika und hatte einen Sohn, der außerordentlich klug war, in jungen Jahren schon richtig Karriere machte und als fast noch Jugendlicher ein uneheliches Kind bekam. Man verstand sich offenbar in der Familie gut, nur mit dem Glaubens- und Wertesystem der Mutter konnte der junge Mann nichts anfangen.
Als der Sohn für einen weiteren Karriereschritt nach Italien wechselte, wohin die Mutter ihn begleitete, kam es für beide nacheinander zu einer lebensverändernden Begegnung mit einem Großen der damaligen Zeit. Der hl. Ambrosius, Bischof von Mailand, tröstete die Mutter, die darüber klagte, dass ihr Sohn sich nicht taufen lassen wolle, mit dem Satz: „Ein Kind so vieler Tränen kann nicht verlorengehen!“ Auch der Sohn begegnete diesem Bischof, dem es gelang, ihm den Glauben so überzeugend darzulegen, dass er sich zur Taufe entschloss.
In der Erinnerungskultur der Kirche ist es wohl einmalig, dass Mutter und Sohn an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gedacht wird, denn den Sohn feiert die Kirche am kommenden Montag. Ach so – bei dem Sohn handelt es sich um den hl. Augustinus, dem größten der westlichen Kirchenväter, bedeutendstem Theologen der Antike, der als Bischof eine Regel für das Zusammenleben seiner Kleriker schrieb, nach der bis heute viele tausende Ordensleute leben.
Kleine Sorgen… Ich wünsche Ihnen und uns für den Umgang mit der nachwachsenden Generation Hoffnung, Zuversicht, Gottvertrauen und den Rat von weisen Menschen.

Propst Roland Falkenhahn
Pastoralverbund Mindener Land
Die Eisprinzessin – Thema: Lebenswege
Jeanette Altwegg hätte auch Tennisprofi werden können. Mit siebzehn stand sie im Wimbledon-Finale der Juniorinnen. Mit achtzehn startete sie im Eiskunstlauf für Großbritannien bei den Olympischen Winterspielen in St. Moritz. Und gewann die Bronzemedaille. Das erleichterte ihr die Wahl zwischen Eiskunstlauf und Tennis. Sie wurde Europameisterin, sie wurde Weltmeisterin. Und sie gewann Gold. Bei den Olympischen Spielen in Oslo 1952.
Weshalb ich dieses Eislaufmärchen von anno dazumal erzähle? Wer sich im Eiskunstlauf auch nur einigermaßen auskennt, weiß: das eigentliche Märchen beginnt in der Regel hinterher. Wenn die aktive Laufbahn beendet ist, die Eisrevuen locken. Dann bekommt eine Sportlerin den verdienten finanziellen Lohn für jahrelange Disziplin, Entbehrung und Leidensfähigkeit. 25 000 Dollar wurden der englischen Eisprinzessin für ein erstes Engagement in den USA in Aussicht gestellt. Eine märchenhafte Summe damals.
Jeanette Altwegg entschied sich für einen Wochenlohn von 30 Schweizer Franken. Als Betreuerin von Waisenkindern in einem Pestalozzi-Kinderdorf in Trogen in der Schweiz. Auf wie viel sie verzichtete, lässt sich ziemlich leicht errechnen. Was sie dafür gewonnen hat, weiß nur sie selbst.
Ich will jetzt nicht moralisieren. So nach der Melodie: wie vorbildlich es doch sei, den Verlockungen des Geldes zu widerstehen. Was mich beeindruckt, ist vielmehr die Gradlinigkeit, mit der diese junge Frau ihren Weg gegangen ist. Mag sein, dass sie als Sportlerin das Gefühl hatte, für das Showbusiness nicht geboren zu sein. Mag sein, dass ihr einfach die Lust fehlte, weiterhin Pirouetten nur um sich selbst zu drehen. Jeanette Altwegg wusste jedenfalls, was sie wollte. Tat, was sie für richtig hielt. Nicht, was andere von ihr erwarteten.
Der geneigte Leser möge selbst entscheiden, ob Gott die Lebensspur der jungen Eisläuferin mitgezogen oder – gemäß dem Jesuswort „was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan“- in den Waisenkindern des Schweizer „Dörflis“ auf sie gewartet hat.

Jens Burgschweiger
Pfarrer am Bessel-NRW-Sportgymnasium Minden