
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
„Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein. Wer unter euch der Erste sein will, der soll Knecht von allen sein.“, sagt Jesus.
Wer führen will, muss dienen können. Jesus selbst hat das vorgemacht. Als er mit seinen Jüngern im Abendmahlssaal zusammen war, ist er vom Tisch aufgestanden und hat die Wasserschüssel geholt und allen die staubigen und schwitzigen Füße gewaschen: Ein Sklavendienst, zu dem man sich bücken muss.
Interessanterweise verwendet Jesus hier zwei unterschiedliche Begriffe. Diener, griechisch Diakon, ist der, der bei Tisch dient. Der dafür sorgt, dass niemand Hunger leiden muss, dass niemand übersehen oder beiseitegedrängt wird. Dass auch die Unscheinbaren und Stillen nicht übergangen werden, sondern alle das bekommen, was sie brauchen. Der Diakon muss den wachen Blick haben. Er schaut nicht zuerst auf sich selbst, er sichert nicht erst einmal für sich den besten Platz. Er geht umher und schaut, wer da ist. Er hat für jeden und jede ein gutes Wort. Er teilt aus und schenkt ein. Er dient mit dem, was er empfangen hat, den andern. Wer groß sein will, soll sich nicht zu schade sein zu dienen. Sagt Jesus.
Der andere Begriff, den er verwendet, ist drastischer noch: Wer der erste sein will, soll der Knecht oder Sklave von allen sein, auf Latein „Servus“.
Der Servus ist der Läufer, der die Informationen weitergibt zwischen Heer und Feldherr, also dafür sorgt, dass die Kommunikation funktioniert und alle wissen, um was es geht und ein gemeinsames Ziel haben. Wenn jeder in eine andere Richtung unterwegs ist, wenn Gerüchte und Meinungsmache, statt echter Information in den Köpfen der Mannschaft dominieren, ist der Kampf nicht zu gewinnen. Damit Zusammenleben gelingt, brauchen wir Kommunikatoren. Und die müssen vor Ort sein, sich unter die Menschen mischen, zuhören, wo der Schuh drückt. Deeskalieren, wo die Wogen hochschlagen, um Verständnis werben, die gemeinsamen Ziele im Auge behalten und davon reden, nicht von dem, was schiefläuft oder andere schuldig geblieben sind. Sind wir bereit, solche dienenden Kommunikatoren des Evangeliums zu werden?
Es ist etwas aus der Mode gekommen, sich als Diener zu verstehen. Vielleicht, weil dazu Demut gehört und die Bereitschaft, gelegentlich über den eigenen Schatten zu springen, und ein Dankeschön nicht selten ausbleibt. Aber Kirche und Gesellschaft brauchen in diesem Sinne dienstbereite Menschen. Dringend.
Einen gesegneten Sonntag wünscht

Christian Marcus Weber
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Hartum-Holzhausen
Liebe wächst wie Weizen
Jesus Christus spricht: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Liebe Leserinnen und Leser,
die Frucht steht erst am Ende. Und bis wir Früchte ernten können, ist es oft ein langer, beschwerlicher Weg. So manches Mal ernten wir dazu noch andere Früchte, als die, die wir uns erhofft haben. Manchmal muss etwas Altes zerbrechen, bevor etwas Neues entstehen kann. Manchmal müssen wir Scheitern, Schmerz und Leid ertragen, bevor wir bereit sind, neu anzufangen und uns von alten Schalen zu lösen.
Doch nur dann kann Neues wieder wachsen, ist ein Anfang wieder möglich.
In einem bekannten Passionslied heißt es „Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.“
Wie schön wäre es, zu säen und gleich zu ernten? Aber so einfach ist das leider nicht. Es ist immer ein Wachstums-, ein Entwicklungsprozess. Nicht nur vom Weizenkorn zur Frucht, wie Jesus sagt. Überall in unserem Leben können wir die gleiche Struktur ausmachen. In Freundschaften, Beziehungen, Beruf…
Da wo wir bereit sind, neuen Samen zu säen, zu pflegen und auch die Ungewissheit auszuhalten, ob etwas daraus wachsen wird – was daraus wachsen wird – da können wir am Ende von der Frucht überrascht werden.
Entscheidend ist, immer neu zu säen, auch wenn wir nicht genau wissen, ob die Saat aufgehen wird. Der Versuch macht den Unterschied. Der Mut, das Korn in die Erde fallen zu lassen, sich auch in der Zeit zu freuen, in der es nicht viel zu freuen gibt – einer Zeit des Übergangs, der Ungewissheit, des Wachstums, unter der Oberfläche. Mit der Hoffnung auf die Früchte, die da wachsen werden.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich wünsche uns, dass auch wir immer wieder, selbst in schwierigen Zeiten, das Licht von Ostern aufscheinen sehen, so dass wir erkennen, wo in unserem Leben die Saat, die wir gesät haben – vielleicht auch überraschend oder unbemerkt – aufgegangen ist.
Bleiben Sie behütet!
Pfarrerin Naela von Storch

Nadja-Elena von Storch
Pfarrerin, Evangelische Kirchengemeinde Barkhausen
Nur wer weit blickt, findet sich zurecht.
Dieser schon immer wertvolle Satz von Dag Hammerskjöld, den ersten Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat für mich eine ganz neue praktische Bedeutung gewonnen in diesen Tagen. Denn meine Frau fand neulich heraus, dass wir das Sehvermögen durch Spazierengehen trainieren können.
Nicht aber das, wie mittlerweile die meisten von uns es tun: Versunken im Karussell der Gedanken, beschäftigt mit Plänen, innerlich unruhig, nur irgendein Ziel ansteuernd, vielleicht noch mit dem Blick auf das Handy dabei? Das alles wird nicht helfen abgesehen von der Bewegung, dem Tageslicht und der frischen Luft, was immer noch besser ist als die freiwilligen Dauer-Lockdowns der massenhaft Mediensüchtigen im Post-Corona-Modus.
Den Augen aber hilft es nur, wenn ich beim Spazieren immer wieder den Blick in die Weite richte, in den Himmel, in die Bäume, in die ferne und dann wieder in die nahe Umgebung: Immer hin und her.
Dadurch müssen die Augen immer wieder ihre Schärfe anpassen und werden trainiert. Ich probierte es aus und auf einmal fühlte ich mich an das Spazieren erinnert, wie ich es als Kind mit meinen Eltern tat. Ich sah wieder die Vögel in den Bäumen, ich sah die Häuser einer Siedlung in ihrer Vielfalt und ich verstand, warum mein Jüngster beim Autofahren oder auf Zugreisen immer so viele Tiere entdeckte. Es ist das, was Achtsamkeitstrainer heutzutage mühsam gestressten Menschen versuchen beizubringen, dabei ist es eigentlich ganz alt und einfach.
Für mich ist es eine spirituelle Erfahrung, denn Gott ist nicht das Abbild des alten weißen Mannes im Himmel und seiner Selbst- und Erdenausbeutung, sondern ist als Geist hinter all seiner Schöpfung erfahrbar. Und darin sehe ich auch u.a. einen Sinn im Fasten, wieder die Sinne zu gebrauchen, die getrübt sind durch alles, womit wir uns Überfluten beim Essen, an medialen Bildern, in der Hast beim Bewegen von A nach B. Denn leidgeprüft werden wir auch so, das weiß ich als Klinikseelsorger. Aber wir hätten die Chance, beim Spazieren die Batterien aufzuladen unter der Überschrift des dritten Sonntags der Passionszeit, Okuli: Meine Augen sehen stets auf den Herrn.
Probieren Sie es aus und vielleicht finden Sie sich auch im Weitblick Gottes in der leidgeprüften Welt wieder zurecht.

Oliver Vogelsmeier
Krankenhauspfarrer am Johannes Wesling Klinikum in Minden