Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Neue Energie

„Gleich geht es los. Haltet euch fest!“ Ich erinnere mich noch genau an die Worte des Segellehrers. Bei gut 30 Grad dümpelten wir in einer Flaute auf dem Balaton (Plattensee) in Ungarn. Seit einer gefühlten Ewigkeit war nichts passiert und ich hatte keine Ahnung, wann die Flaute vorbei sein würde. Warum soll ich mich jetzt festhalten? Was sah der Segellehrer, das ich nicht sah? Brav habe ich mich festgehalten und wie er es gesagt hatte, griff eine Böe ins Segel, das Boot ruckte, nahm Fahrt auf und der Segelspaß ging weiter.

Lange habe ich mich gefragt, was der Segellehrer da gesehen hatte. Und tatsächlich: Wenn man ganz genau hinsah, dann bemerkte man, dass das Wasser unterschiedliche Farbtöne hatte, sich die kleinen Wellen an einigen Stellen etwas stärker kräuselten und mit etwas Übung konnte man den Wind „sehen“.

Jesus Christus benutzt im Johannesevangelium im dritten Kapitel den Wind als ein Bild dafür, wie Gott in dieser Welt wirkt: „Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht.“

Wir sehen nur die Wirkungen des Windes. Wir sehen, wie er die Blätter bewegt oder die Segel füllt. Jesus benutzt dieses Beispiel, um zu erläutern, dass wir Gott mit unseren natürlichen Augen nicht sehen können, aber wir können sehr wohl seine Wirkungen bemerken:

Wenn wir achtsam sind, dann erfreuen wir uns am Wachstum und an den Farben der Natur und danken dem Schöpfer dafür. Wenn wir freundlichen Menschen begegnen, dann ist es viel leichter, ebenfalls freundlich zu sein. Wenn meine Entschuldigung ankommt und jemand mir verzeiht, dann ist es, als ob ein Fenster aufgeht und frischer Wind hereinkommt.

Für die Ferienzeit wünsche ich Ihnen viel Rückenwind!

Olaf Mohring

Olaf Mohring

Pastor der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Minden

Wo ist Gott?

Es ist Juli, und es ist immer noch Krieg in Europa. Das hätte man sich vor zwei Jahren kaum träumen lassen. Die „Glasnost“- und „Perestroika“-Politik von Gorbatschow ermöglichte damals, vor über 30 Jahren das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands. Für viele Menschen – nicht für alle, ich weiß – war das ein Segen, auch für mich persönlich. Ich habe kurz nach der Wende für fast zwanzig Jahre in den „neuen Bundesländern“ gelebt und gearbeitet. Hätte nie meine liebe Frau kennengelernt, zwei unserer wunderbaren Kinder wären nicht geboren, und die dritte, unsere Älteste, wäre nicht die geworden, die sie jetzt ist. Und jetzt kam ein Wladimir Putin daher, dem nicht erst die NATO-Osterweiterung, sondern schon damals als KGB-Agent die Maßnahmen Gorbatschows ein „Stachel im Fleisch“ waren, und er versucht mit unsäglicher Gewalt, wieder an die alten Verhältnisse anzuknüpfen. Das vermag ein alter Schul- und Fußballfreund von mir, der selbst mit einer Russin seit Jahrzehnten verheiratet ist und heute als Professor für Slawistik und osteuropäische Geschichte an der Universität Tübingen arbeitet, überzeugend darzulegen. Wir beide hatten damals übrigens überzeugt den „Dienst an der Waffe“ nicht angetreten.

Ja, „Not lehrt beten!“, aber doch meist in die Richtung, dass man fragt „Wo ist ER?“ oder mit dem Psalmbeter seufzend klagt: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ (Psalm 42,3)

Eli Wiesel, ehemaliger jüdischer KZ-Häftling schreibt in seinem Buch „Die Nacht“: „Drei Lager-Insassen kommen an den Galgen, darunter noch ein Kind. Alle anderen Inhaftierten werden gezwungen zuzuschauen. „Wo ist Gott, wo ist er?“, fragte jemand hinter mir… Mehr als eine halbe Stunde kämpfte der Junge am Galgen zwischen Leben und Sterben seinen Todeskampf. Hinter mir hörte ich es wieder fragen: „Wo ist Gott?“ Und ich hörte eine Stimme in mir antworten: „Wo er ist? Dort hängt er, am Galgen…“

Der mitleidende Gott ist der Gott, der uns hilft. Das heißt auch für uns bei aller Ohnmacht mitfühlen mit den Leidenden, helfen, wo immer und wie immer es geht. Dazu gehört dann auch, Menschen mit russischem Hintergrund bei uns unvoreingenommen zu begegnen. Eine Frau mit russland-deutschen Wurzeln sagte mir erst vor ein paar Wochen mit Tränen in den Augen: „Aber wir sind doch gar nicht alle so…“

Volker Niggemann

Volker Niggemann

Pfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Marien, Pfarrbezirk St. Matthäus

Wort zum Sonntag 3. Juli 2022

Ich habe Durst

„Wasser“ stöhnen Kinder bei einem ausgiebigen Geländespiel bei sengender Hitze. „Ich verdurste!“ Selbst Kinder, die zu Beginn unserer Freizeit noch erklärten, nichts außer Apfelschorle zu trinken, nehmen dankbar die Wasserflasche an. Hauptsache nass. Dann ist der Durst gestillt, das Spiel kann weitergehen.
Wäre es doch immer so einfach! Eine kurze Pause, etwas Wasser, einmal durchatmen, und weiter geht’s. Statt dessen stehe ich manchmal vor dem Kühlschrank und frage mich, was ich da will. An Durst habe ich nicht gedacht, aber irgendetwas fehlt und treibt mich in die Küche.
Es gibt unzählige Ratgeber, wie wir einen Wassermangel erkennen können. Es gibt Lösungsstrategien: „Stellen Sie sich jeden Morgen als erstes eine Kanne Tee oder eine Flasche Wasser hin und trinken Sie die im Laufe des Tages aus.“ Denn anscheinend ist Durst nicht so einfach zu erkennen.
Dabei reden wir von Durststrecken, wenn es in unserem Leben nicht mehr rund läuft. Oder von Durst nach Leben, nach Action und Abenteuer, nach echten Gefühlen, die unser Leben wieder interessant und aufregend machen.
Und dann sagt einer: „Meine Seele dürstet nach Gott. Nach dem lebendigen Gott.“
Interessant! Meine Seele dürstet – und es ist wie mit dem Durst nach Wasser: ich versuche, meinen Durst irgendwie zu stillen. Rufe noch mal eine Freundin an. Stelle den Fernseher an. Tu mir etwas Gutes. Und merke doch: es reicht nicht. Eigentlich müsste da mehr sein.
Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott.
Ich möchte Gott erfahren in meinem Leben. Möchte spüren, dass er da ist. Dass ich ihm nicht egal bin. Und dass er auch heute noch eingreift.
Vielleicht sollten wir Gott das einfach sagen: „Wir brauchen dich auf dieser Erde mit all den verfahrenen Situationen. Wir brauchen dich als Ideengeber, wie wir für Frieden und Gerechtigkeit sorgen können. Wir brauchen die Gewissheit, dass du, Gott, da bist – auch für mich.“
Gott wird unseren Durst stillen. Vielleicht anders als gedacht, aber so, dass es uns guttut.

 

Nicole Bernady

Nicole Bernady

Pastorin der Evangelisch-methodistischen Gemeinde Minden