Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Gedanken zum Pfingstsonntag

Nicht mit Heer und Kraft, nicht mit Panzern und Raketen, sondern mit der Sanftheit und dem Sturm des Geistes Gottes…? (nach Sacharja 4, 6)

Wenn ich die Bilder der Zerstörung des Krieges im Donbass, in Mariupol und anderen Orten der Ukraine sehe und Zahlen von getöteten Menschen höre, dann entwickelt sich bei mir – neben allem Erschrecken ein Traum:

Was würde passieren, wenn Menschen aus ganz Europa sich einem Friedensmarsch in die Ukraine anschließen würden und zu Hunderttausenden sich den Panzern entgegenstellten?

Was würde geschehen, wenn sie dann auch noch Musik dazu spielten und anfingen zu tanzen…

Was würde passieren, wenn die Soldaten ihre Waffen niederlegen und gemeinsam essen würden?

Was würde passieren…?

Was wäre, wenn wir uns begeistern lassen würden von dem, auf den unser Glaube sich richtet, der davon gesprochen hat, dass wir einander die Hand zur Versöhnung reichen sollen, ja dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen?

Wie würden Begegnungen zwischen Menschen aussehen, wenn wir uns der Kraft des Heiligen Geistes anvertrauen könnten? Dieser lebendigen Kraft, die Menschen erfassen und durchdringen kann, so dass ihr Leben eine unerwartete Richtung bekommt, die aus schüchternen Menschen redegewandte Leute werden lässt und bewirkt, dass jemand, der von Natur aus träge ist, bereit wird aufzubrechen, den sicheren Alltag zu verlassen, Bequemlichkeiten aufzugeben, um ganz für eine Aufgabe zu leben, die der Geist Gottes ihm ins Herz und den Verstand gegeben hat.

Was wäre in den letzten 2000 Jahren mit der Kirche Jesu Christi passiert, hätte es nicht immer wieder Menschen gegeben, die in Bewegung kommen und Wege gingen, die sie sich nicht hätten träumen lassen.

Der Geist Gottes ist der Lebensatem, ist die Kraft, die Menschen tröstet und ihnen Flügel verleiht, ihnen neue Möglichkeiten eröffnet, sie aufrüttelt und wach die Geister scheiden lässt.

Ein geistreiches und ein fröhliches Pfingstfest!

Maike Brodowski-Stetter

Maike Brodowski-Stetter

Pfarrerin am Leo-Sympher-Berufskolleg Minden

Lebenswahlen

Wenn ein Künstler aus einem hölzernen Stamm ein Gesicht schnitzen will, dann steht am Anfang seine Vorstellung und dem gegenüber das gewachsene Material.
Das „Rohmaterial“ eines Menschen ist seine Genetik, die frühen kindlichen Prägungen, denen der Mensch ausgeliefert ist, und die es noch nicht selber gestalten kann.
In dieser Zeit wird schon deutlich, ob das Gesicht eines Kindes eher sorgenvoll und ängstlich oder gelassen, fröhlich und unternehmungslustig werden wird.
Spätestens am Ende seiner Jugend und im Beginn des Erwachsenwerdens gestaltet der Mensch sein Gesicht selber mit: Durch seine Lebensentscheidungen, durch seine Beziehungsentscheidungen, durch seine Einstellungen und seine Glaubensentscheidungen.

Und vor jede Entscheidung ist eine Wahl gestellt: – Ob ich mein Leben nach Lust und Laune laufen lasse, ob ich in meinen Entscheidungen verbindlich und berechenbar bin, ob ich Unvorhergesehenes mit Distanz und Humor nehme oder ob ich verbittert werde, wenn ich Schicksalsschläge in mein Leben integrieren muss.

Am Anfang meiner gruppendynamischen Kurse machte ich eine überraschende Erfahrung. Wir waren 60 Personen und keiner kannte den Anderen. Der Leiter gab uns die Aufgabe, in Kleingruppen den Beruf unseres Gegenübers zu raten. Mir gegenüber saß ein gestandener 50-jähriger. Er fixierte mich eine halbe Minute: „Sie sind ein esoterischer Spinner, entweder sind sie Künstler oder Theologe!“, sagte er wohlwollend verschmitzt. Getroffen, Schiff versenkt! Ich ließ seine Persönlichkeit auf mich wirken: „Sie sind Metzger, entweder sind Sie Chirurg oder Analytiker.“ Getroffen, Schiff versenkt! Er war Analytiker.

Unser Gesicht ist unsere Adresse und unser größtes Fenster. Mehr als wir glauben, ist es durch unsere Entscheidungen geprägt. Aber vor jede Entscheidung ist eine Wahl gestellt.

Wolfgang Ricke

Wolfgang Ricke

Katholischer Pfarrer am Johannes Wesling Klinikum Minden

Gedanken zum Sonntag Rogate

Die drei Tage vor Christi Himmelfahrt sind traditionell Tage des Gebets für eine gelungene Ernte. Der Sonntag Rogate (deutsch: betet) eröffnet diese Zeit. Im breiten Bewusstsein der Bevölkerung ist eher das Erntedankfest im Herbst verankert. Aber eigentlich gehört das Bitten  v o r  das Danken. Das Gebet steht am Anfang und nimmt gedanklich vorweg, was für eine gute Ernte nötig ist: „Regen bräuchten wir, Sonnenschein, nicht zu viel Kälte …“ Das Gebet beschäftigt sich also gedanklich auch mit dem möglichen Scheitern: Wenn die Umstände nicht für uns sind, geschieht unsere Arbeit umsonst. Im Gebet steckt demnach das Bewusstsein über die Grenzen des eigenen Handelns. Wissen, woran man scheitern kann, wissen, was man nicht in der Hand hat, all das steckt im Gebet. Im Hinblick auf das Thema des Sonntags „Rogate“, also „Betet!“, sind das gute Hinweise, was ein Gebet ausmacht: Nicht Naivität, dass man denkt, Gott erfülle alle Wünsche. Sondern, dass man sich vertrauensvoll an Gott wendet, weil man um die Grenzen der eigenen Möglichkeiten weiß. Beten soll uns nicht vom eigenen Handeln abhalten. Beten führt uns aber zu der Frage: Was kann ich eigentlich selber leisten? Um diese letzte Frage geht es in einer bekannten Geschichte:

Ich trat in den Laden Gottes ein und sah einen Engel hinter dem Verkaufstresen. „Heiliger Engel, was verkaufst du?“, fragte ich. „Alle Gaben Gottes. Und ich verkaufe sie nicht. Alles ist kostenlos.“ Ich sah mich im Laden um. Die Kästchen und Schubladen waren beschriftet:
Vertrauen, Zufriedenheit, Glück, Mut und noch mehr. Mutig bat ich: „Ich möchte gerne ein bisschen Glauben und viel Glück für meine Familie und mich. Dazu für die ganze Welt Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand!“ Der Engel des Herrn schnürte ein kleines Päckchen, das leicht in meiner Hand Platz hatte. Überrascht fragte ich: „Hast du alles, um was ich bat, in dieses winzige Päckchen getan?“ Lächelnd antwortete der Engel: „Mein lieber Kunde, im Laden Gottes verkaufen wir keine Früchte, es gibt nur Samen.“ (Quelle unbekannt)

Gebet ist Hoffnung in Aktion, hat der Theologe Jochen Margull einmal formuliert. Beten setzt den Glauben voraus, dass Gott über meine eigenen Grenzen hinaus gehen kann und es auch tut. Je düsterer ich die Gegenwart erlebe und frustriert auf meine eigenen Grenzen schaue, umso mehr macht Beten Sinn.

 Ihnen allen einen gesegneten Sonntag Rogate

 

 

 

Michael Brandt

Michael Brandt

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische St. Jakobus Kirchengemeinde