Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Wir müssen nicht andere übertrumpfen

Die Olympischen Spiele gehen zu Ende. Für manche mit einer Medaille. Für andere mit einer Enttäuschung. Doch häufig sind die größten Erfolge im Leben nicht von einem Platz auf dem Siegertreppchen abhängig.

So schrieb der Schwimmer Eric Moussambani bei den Sommerspielen 2000 in Sydney Geschichte. Drei Monate vor den Wettkämpfen konnte der Sportler aus Äquatorialguinea noch gar nicht schwimmen. Aber er wollte, dass sein Land bei den Wettkämpfen vertreten ist. Vor seinem Auftritt warnte er die Jury, dass er die Strecke womöglich nicht schaffe und ertrinken könne. Zur Sicherheit wurden zwei Rettungsschwimmer bereitgehalten.

Dann ging es los. Als der Startschuss fiel, waren Moussambanis Gegner bereits im Wasser – Fehlstart. Das Verrückte an der Geschichte: Beide Konkurrenten wurden aufgrund des Frühstarts disqualifiziert und Eric Moussambani durfte daraufhin alleine antreten. Die 100 m waren für ihn ein riesiger Kampf. Er konnte sich kaum über Wasser halten. Doch er schaffte es ins Ziel und gewann damit den Vorlauf. Und zwar mit der schlechtesten Zeit, die je ein Schwimmer bei Olympia in dieser Disziplin geschwommen ist: 1:52,72. Doch das, was alle beeindruckt hat, war sein Mut, es trotzdem zu wagen.

In der Bibel wird dem Volk Israel gesagt: Der HERR hat euch nicht angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, sondern weil er euch geliebt hat. (5. Mose 7,7-8)

Höher, besser, weiter. Das prägt häufig nicht nur den Sport. Doch wir müssen nicht andere übertrumpfen, um uns selbst zu beweisen. Was uns im Leben weiterbringt, ist die Kunst, zu uns selbst zu stehen. Und uns darauf zu besinnen, was uns trägt.

Es kommt nicht darauf an, ob wir mehr können, haben oder auf die Reihe kriegen als andere. Mit Gottes Hilfe kann ich mein Leben wagen, so wie es ist. So kann ich meine persönlichen Herausforderungen annehmen und mich an dem freuen, was gelingt. Unterstützt, getragen und beflügelt von Gottes Liebe.

Pfarrer Thomas Lunkenheimer, Theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem

Thomas Lunkenheimer

Thomas Lunkenheimer

Pfarrer, Theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem

Flutkatastrophe

Mitte Juli hat eine Flutkatastrophe im Westen Deutschlands das Land verwüstet. Bilder, wie aus dem Rhein-Erft-Kreis mit dem riesigen Krater, haben mich schockiert. Soviel ist zerstört worden – und das in wenigen Minuten. Niemand kann sich in der Gegend an solche großen Wassermassen erinnern, wo alles verwüstet und kleine Bäche zu reißenden Flüssen wurden. Nun stehen nicht wenige vor den Trümmern ihrer Existenz. Wie werden sie die großen Lasten tragen können?

An die Berichte und Sondersendungen erinnere ich mich gut, aber eine Aussage hat sich fest bei mir eingeprägt: „Unsere Nachbarn haben schneller geholfen als die professionellen Helfer.“ Wie selbstverständlich waren die Nachbarn sofort zur Stelle und kamen mit Schaufeln und Eimern. Überall öffneten Menschen ihre Türen, verliehen Autos und Maschinen und zeigten damit ihre Verbundenheit.

Das erinnert mich an Aussagen, die ich als Pfarrer auf dem Lande immer wieder gehört habe: „Unsere Nachbarn sind wichtiger als die Verwandtschaft.“ Während der Ernte haben sich die Nachbarn mit Trecker und Wagen gegenseitig ausgeholfen. Dem Nachbarn wurde absolutes Vertrauen entgegengebracht. Bei Hochzeiten, Beerdigungen, Konfirmationen und anderen Feierlichkeiten waren sie zur Stelle und halfen. Ich habe es noch erlebt, dass der „erste Nachbar“ zu mir kam, um eine Beerdigung anzukündigen und die weiteren Formalitäten mit mir abzusprechen.

Dem Nachbarn kann man im Grunde gar nicht ausweichen. Er bekommt allerhand von dem mit, was der andere tut. Es gibt gute Erfahrungen mit der Nachbarschaft, aber auch echte Herausforderungen und Konflikte, sowohl in der Stadt, wie auch auf dem Land.

Als Christen kennen wir die Worte Jesu: „Liebe deinen Nächsten/Nachbarn wie dich selbst.“ Es ist gar nicht so einfach, damit als Christ umzugehen und zu versuchen, seinen Nachbarn zu lieben. In diesen Tagen ist die Liebe zu den Nachbarn durch die große Hilfsbereitschaft wieder neu entfacht worden. Die betroffenen Orte werden noch lange von der Liebe und dem Glück des Helfens zehren. Gott sei Dank.

Hans-Walter Goldstein

Hans-Walter Goldstein

Pfarrer in den Ev.-Luth. Kirchengemeinden Buchholz und Ovenstädt

Automatisch gespeicherter Entwurf

Sonntags hatte ich immer Geld in der Tasche. Das war der Wochentag, an dem von dem eisernen Grundsatz meiner Mutter „Wir haben hier alles, was du brauchst. Wozu also Taschengeld?“ abgewichen wurde. Ich hatte Geld in der Tasche! Zwei Geldstücke für die Kollekten im Gottesdienst und mehrere kleinere für die Eisdiele im Ort. 30 Pfennig für eine große Kugel oder drei kleine Kugeln Eis jeweils im Hörnchen. Für die Kollekte gab es 1 Mark. Das wäre sehr viel Eis gewesen….Aber hierbei ging es um etwas anderes. Um den guten Zweck. Das sagte mir damals wenig. Auch der Begriff Gerechtigkeit war mir sprachlich fremd, aber als Geschwisterkind erfahrungsmäßig vertraut. Was heißt Gerechtigkeit zu üben? Zum Beispiel, sich für andere einzusetzen, denen Unrecht geschieht. Darüber finden wir viele Aussagen und Geschichten in der Bibel. Jeden Sonntag wird im Gottesdienst die Kollekte zur ausgleichenden Gerechtigkeit eingesammelt. Eine Bargeldspende, die die diakonische und gemeinschaftliche Dimension christlichen Lebens aufzeigt. Eine Segensgabe soll sie sein, schreibt der Apostel Paulus, die mit Dankgebeten für die Güte Gottes begleitet wird. So wird ein bisschen mehr Gerechtigkeit mit kleiner Münze hergestellt.

Heute fragen wir nach Klimagerechtigkeit und nach weltweiter wirtschaftlicher Gerechtigkeit. Sehr komplexe Zusammenhänge werden hier diskutiert. Die kleine Münze reicht da nicht. Oder doch? Was Christinnen und Christen im Gottesdienst Kollekte nennen, heißt in diakonischem Zusammenhang Katastrophenhilfe, wie sie jetzt wieder im eigenen Land benötigt wird. Aber auch Crowdfunding, wenn zum Beispiel viele zusammenlegen, um über Aktienfonds „grüne“ Vorhaben wirtschaftlich um zu setzen. Viele kleine Münzen zusammengelegt, führen mit sehr verschiedenen Projekten zu mehr Gerechtigkeit. Immer gilt: Zum jetzigen Zeitpunkt sollt ihr mit eurem Überfluss dem Mangel der anderen abhelfen. Später kann dann einmal deren Überfluss eurem Mangel abhelfen. So kommt es zu einem gerechten Ausgleich. (2. Kor.8,14)

Und mein Eis habe ich nach dem Gottesdienst mit Genuss gegessen.

Ulrike Lipke

Ulrike Lipke

Pfarrerin, Schulreferat Minden