
Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Handeln im Sinne Jesu….
Wer sich in diesen Zeiten umschaut, begegnet überall Menschen mit Mund-Nasenschutz. Safety first ist das Gebot der Stunde. Andere schützen und auf sich selber Acht geben, auch wenn es um den Abstand und die Art unserer Kontakte geht. Aber bleibt da nicht etwas auf der Strecke, was wir als ein wichtiges Merkmal des Glaubens betrachten – die echte Nähe zum Mitmenschen als Ausdruck unserer Nächstenliebe. Das Abstandhalten erschwert uns hier ja manche echte Nähe zum Nächsten. Wer Menschen pflegt, wer Menschen berät, wer Menschen in Not auffängt, kann dies nicht tun, ohne helfende Hände und Gesten zu gebrauchen. Und da ist heute Phantasie gefragt.
So stellt es sich auch dar, wenn wir uns das biblische Paradebeispiel des Samariters für die Liebe zum Mitmenschen (Lukas 10, 25-37) anschauen. Dort wird zunächst deutlich, dass sich die Liebe zum Nächsten nicht abkoppeln lässt von der Liebe und dem Vertrauen zu Gott. Wer Gott liebt, der achtet auch seinen Mitmenschen wie sich selbst. Das eine ist ohne das andere nicht zu verstehen. Das Beispiel vom Samariter macht deutlich, welche Perspektive Christenmenschen nach Auffassung Jesu einnehmen sollten. Die Frage ist nicht, wer ist mein Mitmensch, der meine Hilfe verdient, sondern wem bin ich der Mitmensch, der helfen kann und der Menschlichkeit und Nähe schenkt? Also, wen kann ich unterstützen? Nicht, wer braucht Hilfe? Der Blick geht von mir zum Mitmenschen. Er richtet sich auf den Nächsten. Das Denken und Fühlen vom anderen her, der Hilfe braucht, ist der Ansatz Jesu. Hier hilft nicht Distanz zum Menschen, sondern hier sind menschliche Nähe und Fürsorge angezeigt. Sie können helfen zu heilen und gesund zu machen.
Der Samariter handelt voller Zuversicht und Geduld im Interesse seines Mitmenschen. Ihm ist die Sorge um den anderen genauso wichtig, wie die Sorge um sich selbst. Wahrscheinlich brauchen auch wir das heute als ein Zeichen der Ermutigung in Zeiten, wo manch einer sich distanzierter verhält als gewohnt.
Glauben und Handeln im Sinne Jesu bedeuten also, dass wir uns selbst im Blick unseres schutz- und hilfebedürfenden Mitmenschen erkennen. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“

Ralf Wagener
Religionspädagoge am Leo-Sympher Berufskolleg Minden
Dem Lockdown der Menschlichkeit begegnen…
Dem Lockdown der Menschlichkeit begegnen
Die Herbstferien sind bei uns zu Ende und sie erinnerten in der Rasanz der uns alle betreffenden Veränderungen an die Osterferien. Nur stellt diesmal trotz der nun rollenden zweiten Welle kaum jemand in Frage, die Schulen und Kindergärten am Montag wieder zu öffnen. Abgesehen davon ist anders als im Frühjahr unsere Gesellschaft viel mehr gespalten. Was ist gut für uns alle? Wie sollen wir diesmal die Sozialkontakte reduzieren, wozu uns die Kanzlerin vor Wochenfrist ermahnt hat? Weiterhin gilt: Je weniger Kontakte desto mehr wird die Ausbreitung des Virus gehemmt. Das wäre gut.
Aber nach den Osterferien waren alle Kirchen, Spielplätze, Krankenhäuser, Altenheime und Kitas zu. Großeltern sahen ihre Enkel allenfalls mit technischer Hilfe. Soll das jetzt wieder so sein? Mittlerweile wissen wir, dass Kinder anders als bei der Grippe keine entscheidende Rolle zur Verbreitung spielen. Auch Besuche geliebter Menschen auf Abstand sind nicht das Problem, sondern ganz klar das, was ohne Abstand und Maske in geschlossenen Räumen passiert, vor allem bei den jungen bis mittelalten Erwachsenen, auf der Arbeit oder beim Feiern.
Wer vor einem halben Jahr genau wusste, was gut ist, musste ein Prophet sein, jetzt aber wissen wir eigentlich das meiste. Ein Prophet der Bibel, Micha, sagt: Ihr wisst es selbst!
Im Schriftwort dieses Sonntags sagt er: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Niemand also stelle das eigene Freiheitsbedürfnis über den Schutz der Nächsten. Denn Gottes- und Nächstenliebe sind in unserer jüdisch-christlichen Tradition untrennbar. Niemand stelle sich auch mit Besserwisserei über die Erkenntnisse der Wissenschaft, denn sie erforscht ja nur die Zusammenhänge von Gottes Schöpfung. Aber auch niemand der öffentlich Verantwortlichen stelle das verständliche Kontrollbedürfnis über die Menschlichkeit. Die Menschen müssen sich bei Beachtung alles dessen, was wir wissen, sehen können, persönlich. Sonst sterben die Alten an Einsamkeit, siechen die Kranken in Isolation, aber auch unsere Wirtschaft, sowie unsere Kultur der Begegnung in lebendigen Städten stirbt. Mögen wir den richtigen Mittelweg finden mit Herz und Verstand, so dass wir danach handeln, was gut ist für uns alle.
Oder wie sagt es der große Charlie Chaplin in der Rede zu seinem Film, ‚Der große Diktator‘, vor genau 80 Jahren? „Wir sprechen zu viel und fühlen zu wenig. … Vor Klugheit und Wissen kommt Toleranz und Güte. Ohne Menschlichkeit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert.“
Ihr Pfarrer im Klinikum Minden, Oliver Vogelsmeier

Oliver Vogelsmeier
Pfarrer im Johannes Wesling Klinikum Minden
Das kommt in den besten Familien vor…..
Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen Epheserbrief 4, 26
„Das kommt in den besten Familien vor“ sagt eine alte Redensart. Denn niemand ist davor sicher, auch mit Menschen, mit denen man sicher eigentlich prima versteht, in Streit zu geraten. Oft sind Kleinigkeiten die Ursache, nicht selten aber auch gravierende Dinge über die man verschiedener Ansicht sein kann: Ein schlimmer Streit tut niemandem wirklich gut. Natürlich müssen Menschen zu wichtigen Fragen diskutieren, wenn möglich einen Kompromiss finden oder einfach mal bereit sein, unterschiedliche Meinungen gelten zu lassen. Schwierig ist es immer dann, wenn die einen immer nur klein bei geben und die Lauteren oder die, die immer das letzte Wort haben müssen, sich ständig durchsetzen. So wie schwere Sorgen rauben nicht beigelegte Streitigkeiten oder der Zorn auf jemanden vielen Menschen den Schlaf. „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“. Eigentlich recht bekannt dieser Satz. Aber nicht alle wissen, dass das ein Satz aus der Bibel ist, den Paulus vor bald 2000 Jahren an die Gemeinde in Ephesus schrieb. Auf jeden Fall war und ist es und ist es immer noch ein guter Rat für das Zusammenleben von Menschen, sei in einer Partnerschaft, in der Familie, in Beruf, Verein oder Kirche. Ein guter Rat auch in der Politik, wenn es um Auseinandersetzungen im großen Rahmen geht. Das Wichtige dabei ist ja nicht zu allererst, dass man einfach um jeden Preis einen vielleicht billigen Kompromiss herbeiführt ohne dass eine Angelegenheit wirklich geklärt ist. Es geht vielmehr darum nicht zornig auseinander zu gehen, sondern sich weiter in die Augen sehen zu können, sich menschlich zu vertragen, auch wenn etwas vertagt werden muss oder vielleicht gar nicht geklärt werden konnte. Das geht gewiss nicht, wenn Gewalt und Hinterhältigkeit im Spiel sind. Zorn loswerden kann man wohl nur, wenn man dafür irgendwie ein wirklich geeignetes Ventil findet. Und da ist sicher eine gewisse gemeinsame Grundeinstellung hilfreich. Wenn Paulus einst Menschen in einer christlichen Gemeinde den Rat gab, einen Tag nicht im Zorn zu beenden, damit hoffte er natürlich, dass für Christen Liebe, Vergebung, Achtung vor dem anderen auch zum gemeinsamen Glauben gehörten. In der Politik ist es dann eher die gemeinsame Basis eines grundlegend demokratischen Denkens, das auch bei unterschied-lichsten Meinungen doch die Achtung vor dem anderen nicht aus dem Blick verliert. Nach dem in Ostwestfalen wichtigen Motto: wir waren zwar überhaupt nicht einer Meinung, aber am Ende konnten wir doch noch ein Bier zusammen trinken.

Beate Rethemeier
Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Dankersen