Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Aufhören …
Um uns herum ist gerade so einiges „stillgelegt“: Restaurants, Geschäfte, Kinos und auch die Gottesdienste. Leider sorgt diese „äußere Stille“ noch lange nicht automatisch auch für „innere Stille“. Im Gegenteil: Ständig wirbeln alle möglichen Gedanken im Kopf durcheinander: Bleiben alle, die mir lieb sind, gesund? Was bedeutet der Lockdown für die Wirtschaft? Wann werde ich geimpft? Und wann wird endlich alles wieder ein bisschen „normaler“?
Je größer die innere Unruhe, umso schwerer ist es, wirklich still zu werden. In einer Situation voller Unruhe befindet sich auch der Beter des 46. Psalms:
Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, wenngleich das Meer wütete und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen. […] Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin! Ich will mich erheben unter den Völkern, ich will mich erheben auf Erden. Der HERR Zebaoth ist mit uns, der Gott Jakobs ist unser Schutz.
Von großen Nöten und Katastrophenszenarien ist in diesem Gebet die Rede. Und dennoch ist dies kein Klagepsalm, sondern ein Loblied auf unsern Gott, der über alledem der Herrscher ist. Unser Gott, der ein sicherer Zufluchtsort ist und dessen Macht von keinem Tsunami, keinem Erdbeben, keinem Krieg und auch von keinem Virus erschüttert wird.
Und wie ein Schatz leuchtet Gottes Reden in diesem Psalm auf. Denn so ist es beim Gebet: Es ist Reden mit Gott und Hören auf Gott. Und Gottes Aufforderung hier ist so simpel wie herausfordernd: Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!
Um´s Aufhören bittet Gott uns hier. Um´s Aufhören im doppelten Sinne: Zum einen im Sinne von Ablassen, Innehalten: „Beende deine hektische Betriebsamkeit. Check nicht zum 100. Mal deine Nachrichten oder die Corona-Updates. Frag nicht schon wieder, was du als nächstes tun kannst. Komm zur Ruhe.“
Und zum anderen um´s Aufhören im Sinne von Aufmerken, Aufmerksam werden für ihn, dafür wer er ist und wie er ist und was er kann: „Fokussiere dich auf mich. Mit deinen Augen, mit deinen Ohren, mit deinem Herzen. Wende dich mir zu. Und dann: Erkenne und staune und bete an.“
Für das Hören auf Gott muss ich mehr wahrnehmen und weniger bedenken. Mehr sein und weniger tun. Und manchmal verlangt uns das sehr viel mehr ab, als konsequent eine To-do-Liste abzuarbeiten. Weil es plötzlich nicht mehr auf das Machbare, das Planbare, weil es plötzlich nicht mehr auf mich ankommt.
Gott verspricht hier, dass wir in der Stille mit Gott neue Erkenntnisse, Hilfe und Schutz erleben werden.
Nutzen wir diese Zeit der Zwangspause vom gewohnten Alltag und Gottesdienst, um uns selbst in der Stille auf die Suche nach Gott zu machen; für ganz bewusst gelebte und gestaltete Zeit zu zweit: Nur Gott und ich
Impulse, um solche Zeit der Stille zu gestalten, finden Sie auf: www.kirchengemeidne-lerbeck.de

Christine Berneburg
Pfarrerin, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Lerbeck
Wachsamkeit und Heilung
In den beiden letzten Wochen kam im Fernsehen ein Mehrteiler unter dem Thema: „Charite“, der über das Berliner Zentral- und Forschungskrankenhaus berichtete.
Der Film erzählte über den Arzt Rudolf Virchow, der 1858 die Zelle enddeckte und von Robert Koch, der plötzlich den Tuberkelbazilluns entdeckte, und damit den Weg freimachte für das, was wir heute Impfung nennen.
Tuberkulose, Cholera, Typhus und andere Infektionserkrankungen gab es schon früher, trotzdem waren es noch keine Epidemien oder wurden höchstens als „Massenerkrankungen“ wahrgenommen.
Aber die Verelendung der Arbeiterschaft, der Run in die Fabriken der Städte, das Wohnen auf engstem Raum bei mangelhaften sanitären Bedingungen und der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich schaffte so viel Krankheiten, dass die Krankenhäuser geradezu barsten, zu Sterbekliniken wurden, und sich in größeren Säälen die Tuberkulosekranken zu Tode husteten.
Dann erst, als die Gesellschaft aufwachte, entstand ein Veränderungsdruck, dass der Staat Geld in die Hand nahm. Labore wurden gebaut oder vergrößert, sodass die Forschung intensiviert werden könnte.
Eine geradezu zynische Frage beschleicht mich, wenn ich mir die Entwicklung der Medizin am Ende des 19 Jahrhunderts anschaue und zum Teil auch den Umgang mit der Pandemie in unserer Zeit, zumindest bei Einigen.
Muss der Mensch erst leiden, bis er alle Kräfte einsetzt und das Leiden bekämpft?
Ich befürchte, man muss diese Frage zumindest teilweise mit „ja“ beantworten.
Der Mensch ist immer auch ein „Gewohnheitstier“, es fällt ihm häufig schwer, eingeschlagene Wege zu verlassen. Im Extremfall denkt er sich „alternative Fakten“, zu deutsch Unwahrheiten aus, um sein Verhalten nicht ändern zu müssen.
Wie ein roter Faden zieht sich jene Aufforderung nach Nüchternheit und Wachsamkeit durch das Evangelium „seid nüchtern und wachsam“.
In vielen Fällen ist dieses Wort auf das endgültige Kommen Christi im Tod gerichtet. Aber es bedeutet auch Wachsamkeit gegenüber den Zeichen der Zeit, Nüchternheit und das Ringen um Wahrheit und Lösungen und erhöhte Aufmerksamkeit, wenn das Gewohnheitstier Mensch auch nach einem Erdbeben die alten Wege geht und nicht miteinkalkuliert, dass das Beben unter Umständen eine tiefe Schlucht in seinen gewohnten Weg gerissen hat.
Wohl dem, der in dieser Zeit nüchtern und wachsam bleibt!

Wolfgang Ricke
Kath. Pfarrer am Johannes Wesling Klinikum
Dankbar in der Krise?
„Jesus nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus.“ Dieser Satz stammt aus dem biblischen Bericht über die Speisung der 4000. Und direkt im Anschluss werden dann 4000 Menschen satt. Und das in einer Situation, in der allen ganz klar vor Augen stand, dass es eigentlich nicht möglich ist, mit so wenig Essen eine solche Menge satt zu bekommen. Aber Gott tut ein Wunder, und am Abend sind alle reichlich gesättigt, und es bleibt sogar etwas übrig.
Bemerkenswert an der Geschichte finde ich neben dem Versorgungs-Wunder, das Gott tut, den Ort in der Geschichte, an dem der Dank steht. Der Dank kommt in diesem Wunderbericht nicht ganz am Ende, nachdem Gott das Wunder getan hat und offensichtlich ist, dass es für alle gereicht hat. Stattdessen dankt Jesus mitten in der schwierigen Situation, genau in dem Moment, in dem die Krise ganz klar vor Augen steht, die Lösung aber noch nicht in Sicht ist.
Jesus dankt Gott für die sieben Brote, die Gott ihm anvertraut hat. Jesus erkennt an, dass er auch mitten in der Krise von Gott beschenkt ist, auch wenn es für die Situation viel zu wenig scheint. Im Dank vertraut er Gott diese wenigen Brote und Fische an, weil er weiß, dass aus ihnen in Gottes Hand viel mehr, viel Wunderbareres werden kann, als würde er sich selbst daran festklammern. Sein Dank ist voller Zuversicht, dass auch diese übersichtlichen, sogar unzureichenden Gaben in Gottes Hand genug sind, weil er Großes damit tun kann. Nach dem Dank hat Jesus den Mut, das Brot zu verteilen. Und er erlebt, wie sein Vater durch ihn das Wunder vollbringt, dass am Ende alle mehr als genug haben.
Wir erleben gerade alle miteinander eine Krise. Jeder ist auf seine Weise betroffen. Wir erwarten, dass Gott helfend eingreift in die Situation. Ich möchte sie heute ermuntern, mit dem Danken nicht zu warten, bis die Krise gelöst ist, sondern wie Jesus mitten in der Krise im Dank anzuerkennen, dass wir beschenkt sind. Um dann das, was wir haben, zusammen mit unseren Sorgen in Gottes Hände zu legen. Voller Vertrauen darauf, dass es in seinen Händen viel mehr ist als in unseren, dass er uns hindurchträgt und versorgt, vielleicht auch auf Wegen von denen wir heute nicht einmal etwas ahnen.

Thomas Berneburg
Pfarrer in der Kirchengemeinde Lerbeck, Bezirk Meissen