Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Ernte-Dank!

Mit prachtvollen Kürbissen, duftenden Äpfeln, leckeren Weintrauben und vielem mehr sind die Altäre in den Kirchen morgen festlich geschmückt. Gott erntet unseren Dank dafür, dass er uns mit dem beschenkt, was wir zum Leben brauchen: Nahrung und Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Menschen, die uns nahestehen.
Den Landwirtinnen und Landwirten danken wir, dass sie durch ihre harte Arbeit auch in diesem Jahr wieder eine Ernte eingebracht haben. Selbstverständlich ist das nicht. Regen und Hitze folgten sehr ungünstig aufeinander, so dass vor allem die Getreideernte eine Herausforderung wurde.
Ernte-Dank! Als Klinikseelsorgerin begegne ich immer wieder Menschen, die sich fragen: „Was konnte in meinem Leben wachsen und gedeihen?“ Mir steht eine schwer erkrankte Patientin vor Augen. Als sie von ihrer besten Freundin erzählt, beginnt sie zu strahlen: „Wir beide sind sehr unterschiedlich. Ich war unsicher, ob unsere Freundschaft länger hält. Doch die Saat ist aufgegangen. Gerade jetzt, wo es mir so schlecht geht, ist mir meine Freundin eine große Stütze. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Dankbarkeit hat viele Gesichter. Sie zeigt sich in Gebeten und Liedern, in Freude und Zufriedenheit. Genauso darin, dass Menschen zum Teilen bereit sind. Die durch den Klimawandel bedingten Extremwetterereignisse haben in diesem Jahr weltweit zu großer Not geführt, zuletzt in Libyen. Spender und Spenderinnen tragen dazu bei, sie zu lindern.  
Patienten und Patientinnen, die auf eine schwierige „Lebensernte“ blicken, sind meist enttäuscht. Wie gut, dass die Ehrenamtlichen der Klinikseelsorge bereit sind, ihre Zeit mit ihnen zu teilen. Einfühlsames Verstehen kann neue Hoffnung wachsen lassen.
Gott zu danken, stimmt zuversichtlich, denn Gott verspricht: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8, 22)
Viele Gründe zur Dankbarkeit wünsche ich Ihnen, nicht nur am Erntedankfest.

Pfarrerin Melanie Drucks

Pfarrerin Melanie Drucks

Ev. Krankenhausseelsorgerin, Johannes Wesling Klinikum Minden

Feindesliebe macht gesund

„Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.“ Dieser Zweizeiler von F. W. Bernstein beschreibt einen der bekanntesten Autoren des Neuen Testamentes, Paulus. Mit beißender Ironie, unverhohlenem Spott und sogar mit Ohrfeigen stellte sich der Apostel denen entgegen, mit denen er früher gemeinsame Sache gemacht hatte. Ursache für diese Wandlung war eine Heilung.

Paulus war gezeichnet von einer chronischen Krankheit. Wie ein „Pfahl im Fleisch“ quälte sie ihn, legte ihn regelmäßig für mehrere Tage lahm und bescherte ihm Visionen von grellen Lichtern, starke Schmerzen, Übelkeit und Drehschwindel. Hartmut Göbel, Professor für Neurologie und Schmerztherapie, vermutet anhand dieser Beschreibungen Migräne als Ursache dieser Anfälle. Durch seine Erziehung und durch die religiöse Tradition seiner Herkunftsgemeinde – er war Schüler des Gamaliel, eines Rabbiners, der der orthodoxen Schule der Pharisäer angehörte – gab es für Paulus nur ein Mittel, von den Schmerzen dieser Krankheit befreit zu werden: absolute Gesetzestreue. Jesus, der viele Krankheiten durch Zuwendung und praktizierte Nächstenliebe geheilt hatte, war für Paulus zunächst ein Feindbild. Das änderte sich schlagartig, als Paulus auf dem Weg nach Damaskus war.

Von einem Anfall getroffen, fiel Paulus vom Pferd und blieb blind und bewegungslos am Boden liegen. Mitten in diesem Anfall, so berichtete er anschließend, habe er eine Stimme gehört, die er Jesus zuordnete: „Warum verfolgst du mich?“ Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Migräneanfälle für Paulus ein Zeichen für einen weit entfernten Gott. Das war jetzt anders. Gott war in seiner Nähe. Krankheit war nicht mehr Einsamkeit, sondern Gemeinschaft mit Gott. Noch etwas anderes vertiefte dieses Erlebnis: Als er von seinen Begleitern blind nach Damaskus gebracht wurde, waren es gerade die Jesusfreunde, seine ehemaligen Gegner, die ihn von seiner Blindheit heilten. Schuppen seien ihm von den Augen gefallen: Liebe ist das höchste Gebot. In einer liebevollen Zuwendung erfüllen sich alle Gesetze in einem Moment.

Die Migräneanfälle ist Paulus nie losgeworden. Doch deren Folgen, Einsamkeit, Verlassenheit oder Hilflosigkeit konnte er überwinden. Er fühlte sich auch in der Krankheit von Gott begleitet.

Frieder Küppers

Frieder Küppers

Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde St. Marien

Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel kostbarer als sie? (Mt. 6, 26)

Sie sitzen vor dem großen Schrank und schauen in die unteren Fächer. Hier liegen Dinge, die lange nicht mehr in ihrer Hand waren: Kinderbücher, alte Spiele für 6 – 12-Jährige. Nach und nach wächst der Stapel der Sachen, die nicht mehr gebraucht werden. Sie sollen jetzt weg, denn es ist zu viel für die neue gemeinsame Wohnung, die sie sich nehmen wollen. Sie sind nicht mehr die Jüngsten, haben sich kennen- und lieben gelernt und wollen nun miteinander alt werden. Und da gibt es viel, was nicht mehr gebraucht wird, was übrig ist aus vergangenen Jahren, Beziehungen, der Familienzeit und den Jahren des Alleinseins, wo manches gekauft und angeschafft wurde, um die innere Leere auszufüllen.

Das Leben ist freier, individueller, aber in vielem auch einsamer geworden und das Materielle wird allzu oft zum Trost, zum Lückenfüller für das, was an Menschlichem vermisst wird. – Jetzt aber ist da jemand, nach langer Zeit, der bereit ist, mit ihr ein neues Leben zu beginnen im fortgeschrittenen Alter ohne wenn und aber und sie ist genauso offen, voller Freude, voller Pläne,… und da verliert das Materielle wie von selbst seine Bedeutung…

Im Evangelium nach Matthäus heißt es zu diesem Sonntag: „Seht die Vögel unter dem Himmel an: Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“ Für mich gewinnen diese Worte einen etwas anderen Sinn als eine bloße Materialismuskritik oder eine strikte Aufforderung zu asketischem Leben. Wer sich wie das Paar vor seinem >>Lebens-Schrank der toten Besitztümer<< frei machen kann von dem vielen, was er oder sie gehortet, gehegt und gepflegt hat, der kommt wieder bei einem Menschen oder generell bei Menschen an, die mit Nähe, Worten und Zuneigung ein neues Leben öffnen können, egal zu welchem Zeitpunkt im Leben. In diesem Sinne wünsche ich vielen loslassen zu können, um Menschen zu gewinnen in einem erfüllenden Leben ohne Sorge um die Besitztümer in unseren Wohnungen und Häusern.

Christoph Kretschmer

Christoph Kretschmer

Schulpfarrer am Freiherr-vom-Stein-Berufskolleg