Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Angst geht um in Deutschland.

Angst geht um in Deutschland. Angst vor Winter in kalten Wohnungen; Angst vor nicht bezahlbaren Energiepreisen. Die Angst vor dem Ukraine-Krieg ist bei uns zur Furcht vor Inflation geworden. Diese Furcht ist verständlich. Wie aber kann es gelingen, dass sie uns nicht völlig beherrscht? Denn sonst droht der Zusammenhalt der Gesellschaft in Verteilungskämpfen zu zerbrechen. Putins Plan würde aufgehen. In der Bibel steht: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1.Johannes 4,18). Was das aktuell bedeu­ten kann habe ich kürzlich im Urlaub erlebt: Wir waren mal wieder in Karelien, im Osten Finnlands. Und natürlich besuchten wir wieder Ilomantsi, die Kleinstadt 25 Kilometer vor der russischen Grenze. Da trafen wir diese freundliche ältere Frau in ihrem Laden. Sie freute sich, uns wieder zu sehen. Denn die Touristen bleiben weg. Die Grenze ist zu nah, der Krieg ist eine reale Gefahr. Schließlich war Finnland im 19. Jahrhundert rus­si­sche Provinz. Putin könnte mit der gleichen Unmoral, mit der er die Ukraine terrorisiert, auch Finnland angreifen. Wenn es aber dazu kom­men sollte, „wohin sollen wir denn dann fliehen?“, fragte sie uns ratlos. „Ich hoffe und bete dafür, dass der Frie­den in Karelien erhalten bleibe“, sagte ich ihr. Sie sah mich entsetzt an und sagte in strengem Ton: „Zuerst müssen wir für Frieden in der Ukraine beten! Da ist Krieg!“ Stark! Diese Frau nimmt Anteil an den Opfern und überwindet so die Macht ihrer ei­ge­nen Angst. Sie lebt das Wort: „Liebe treibt Frucht aus.“ Für den Umgang mit unseren ei­genen Ängsten kann sie uns Vorbild sein. Schenken wir den zu uns Geflohenen un­se­re Aufmerksamkeit. Helfen wir ihnen und den Menschen im Kriegsgebiet mit Beten und Tun des Gerechten. Dann erfahren auch wir, wie Liebe Furcht aus­treibt. Das ist sicher; denn: „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1.Johannes 4,16). Gott aber ist ja stärker als alles, was uns Angst machen kann.

Michael Mertins

Michael Mertins

Superintendent des Ev. Kirchenkreises Minden

Gedankenlosigkeit

Menschen denken. Das ist wunderbar. Schafft es doch die Möglichkeit, vernünftig zu handeln. Zumindest nach den Maßstäben, Werten und Einstellungen, die dem jeweils vernunftbegabten Menschen gegeben sind.

Die Wissenschaft – und dahinter steckt ja letztlich das vernünftige Denken – hat unsere Welt, so wie sie jetzt ist, geprägt. Zusammenhänge werden begriffen, Neues wird durchdacht und ausprobiert. Altes wird erneuert. Ich liebe es, zu denken, gute Gedanken zu haben und mein Leben denkerisch zu durchdringen.

Menschen denken und das ist beizeiten überhaupt nicht wunderbar. Weil das Denken destruktiv und selbstzerstörerisch sein kann. Schlechte Gedanken führen zu negativen Einstellungen zu sich selbst und zu der Welt. Menschen denken und denken und kommen nicht in den Schlaf, weil sie denken und die Gedanken sie im wahrsten Sinne des Wortes fertig machen.

Auch von Gott wird gesagt, dass er denkt. So heißt es bei Jeremia:

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides.“ (Jer 29,11)

Gedankenlosigkeit wird normalerweise im Sinne von Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder Ungenauigkeit gebraucht. Ich meine aber, dass Gedankenlosigkeit in einem anderen Sinn eine Tugend sein kann: Gedankenlosigkeit bedeutet Entspannung, heraus aus dem ewigen Denken hinein in das Vertrauen in einen größeren Zusammenhang.

So heißt es bei Jesaja: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR; sondern so viel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken.“ (Jes 55,8.9)

Ich nehme diese Sätze in der Bibel über das Denken Gottes als Ermutigung: Denken ist etwas Wunderbares, Nicht-Denken aber auch, führt es doch zu Gelassenheit, auch zum Loslassen. Gedankenlosigkeit ist auch etwas Wunderbares. Es ist letztlich der jüdisch-christliche Gedanke des Sabbats: nichts tun, nicht das Alltägliche denken, Höheres denken, gedankenlos sein, einen Tag in der Woche.

Eckhard Hagemeier

Eckhard Hagemeier

Pfarrer, Gymnasium Porta Westfalica

Wir haben die Wahl!

Am 14. August 1949 fand die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag statt. Damit wurde eine demokratische Kultur begründet, die unserem Land Einigkeit und Recht und Freiheit beschert hat.

Seitdem haben wir die Wahl. Als Bürgerin oder Bürger bestimme ich mit, wie unser Land regiert wird. Auch als Christinnen und Christen können wir uns glücklich schätzen, in einer Demokratie zu leben.

Die freie Religionsausübung ist garantiert. Ungehindert können wir unseren Glauben leben und davon erzählen. Viele Christinnen und Christen in anderen Teilen der Welt erleben das so nicht. Sie müssen mit Benachteiligung oder gar Verfolgung rechnen.

Auch gibt es Länder, in denen die Kirche (freiwillig oder gezwungen) zum Büttel eines autoritären Staates geworden ist. Zurzeit beobachten wir das z.B. in Russland. Auch während der Nazi-Diktatur in Deutschland wurde versucht, die Kirche zum Sprachrohr einer gottlosen Diktatur zu machen. Doch wenn die Kirche nicht mehr die frei machende Botschaft Jesu Christi verkündigt, dann braucht es sie nicht.

Umso mehr sollten wir unsere Demokratie wertschätzen. Bislang war das nicht schwer. Uns wurde nicht viel abverlangt. Inzwischen aber wird uns klar, dass wir unsere Freiheit verteidigen müssen. Und dass wir nicht einfach wegschauen können, wenn die Menschenwürde in Ländern mit Füssen getreten wird, mit denen wir regen Handel treiben.

Wir haben die Wahl. Das gilt im Blick auf das Staatswesen. Das gilt aber auch im Blick auf den Glauben. Jesus hat niemandem vorgeschrieben, was er zu denken oder zu glauben hat. Aber er hat dazu eingeladen, das eigene Leben im Licht Gottes zu sehen. Das hat viele Menschen dazu ermutigt, ihr Leben nicht von anderen bestimmen zu lassen. Auch nicht von Diktatoren, selbst wenn die sich noch so mächtig fühlen. Denn wir haben die Freiheit, als Kinder Gottes zu leben. Da liegt es dann nah, sich auch für die Freiheit, den Frieden und die Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Umfeld einzusetzen.

 

Thomas Lunkenheimer

Thomas Lunkenheimer

Theologischer Vorstand der Diakonie Stiftung Salem