Wort zum Sonntag
Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.
Liebe wächst wie Weizen
Jesus Christus spricht: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Liebe Leserinnen und Leser,
die Frucht steht erst am Ende. Und bis wir Früchte ernten können, ist es oft ein langer, beschwerlicher Weg. So manches Mal ernten wir dazu noch andere Früchte, als die, die wir uns erhofft haben. Manchmal muss etwas Altes zerbrechen, bevor etwas Neues entstehen kann. Manchmal müssen wir Scheitern, Schmerz und Leid ertragen, bevor wir bereit sind, neu anzufangen und uns von alten Schalen zu lösen.
Doch nur dann kann Neues wieder wachsen, ist ein Anfang wieder möglich.
In einem bekannten Passionslied heißt es „Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.“
Wie schön wäre es, zu säen und gleich zu ernten? Aber so einfach ist das leider nicht. Es ist immer ein Wachstums-, ein Entwicklungsprozess. Nicht nur vom Weizenkorn zur Frucht, wie Jesus sagt. Überall in unserem Leben können wir die gleiche Struktur ausmachen. In Freundschaften, Beziehungen, Beruf…
Da wo wir bereit sind, neuen Samen zu säen, zu pflegen und auch die Ungewissheit auszuhalten, ob etwas daraus wachsen wird – was daraus wachsen wird – da können wir am Ende von der Frucht überrascht werden.
Entscheidend ist, immer neu zu säen, auch wenn wir nicht genau wissen, ob die Saat aufgehen wird. Der Versuch macht den Unterschied. Der Mut, das Korn in die Erde fallen zu lassen, sich auch in der Zeit zu freuen, in der es nicht viel zu freuen gibt – einer Zeit des Übergangs, der Ungewissheit, des Wachstums, unter der Oberfläche. Mit der Hoffnung auf die Früchte, die da wachsen werden.
Liebe Leserinnen und Leser,
ich wünsche uns, dass auch wir immer wieder, selbst in schwierigen Zeiten, das Licht von Ostern aufscheinen sehen, so dass wir erkennen, wo in unserem Leben die Saat, die wir gesät haben – vielleicht auch überraschend oder unbemerkt – aufgegangen ist.
Bleiben Sie behütet!
Pfarrerin Naela von Storch

Nadja-Elena von Storch
Pfarrerin, Evangelische Kirchengemeinde Barkhausen
Nur wer weit blickt, findet sich zurecht.
Dieser schon immer wertvolle Satz von Dag Hammerskjöld, den ersten Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat für mich eine ganz neue praktische Bedeutung gewonnen in diesen Tagen. Denn meine Frau fand neulich heraus, dass wir das Sehvermögen durch Spazierengehen trainieren können.
Nicht aber das, wie mittlerweile die meisten von uns es tun: Versunken im Karussell der Gedanken, beschäftigt mit Plänen, innerlich unruhig, nur irgendein Ziel ansteuernd, vielleicht noch mit dem Blick auf das Handy dabei? Das alles wird nicht helfen abgesehen von der Bewegung, dem Tageslicht und der frischen Luft, was immer noch besser ist als die freiwilligen Dauer-Lockdowns der massenhaft Mediensüchtigen im Post-Corona-Modus.
Den Augen aber hilft es nur, wenn ich beim Spazieren immer wieder den Blick in die Weite richte, in den Himmel, in die Bäume, in die ferne und dann wieder in die nahe Umgebung: Immer hin und her.
Dadurch müssen die Augen immer wieder ihre Schärfe anpassen und werden trainiert. Ich probierte es aus und auf einmal fühlte ich mich an das Spazieren erinnert, wie ich es als Kind mit meinen Eltern tat. Ich sah wieder die Vögel in den Bäumen, ich sah die Häuser einer Siedlung in ihrer Vielfalt und ich verstand, warum mein Jüngster beim Autofahren oder auf Zugreisen immer so viele Tiere entdeckte. Es ist das, was Achtsamkeitstrainer heutzutage mühsam gestressten Menschen versuchen beizubringen, dabei ist es eigentlich ganz alt und einfach.
Für mich ist es eine spirituelle Erfahrung, denn Gott ist nicht das Abbild des alten weißen Mannes im Himmel und seiner Selbst- und Erdenausbeutung, sondern ist als Geist hinter all seiner Schöpfung erfahrbar. Und darin sehe ich auch u.a. einen Sinn im Fasten, wieder die Sinne zu gebrauchen, die getrübt sind durch alles, womit wir uns Überfluten beim Essen, an medialen Bildern, in der Hast beim Bewegen von A nach B. Denn leidgeprüft werden wir auch so, das weiß ich als Klinikseelsorger. Aber wir hätten die Chance, beim Spazieren die Batterien aufzuladen unter der Überschrift des dritten Sonntags der Passionszeit, Okuli: Meine Augen sehen stets auf den Herrn.
Probieren Sie es aus und vielleicht finden Sie sich auch im Weitblick Gottes in der leidgeprüften Welt wieder zurecht.

Oliver Vogelsmeier
Krankenhauspfarrer am Johannes Wesling Klinikum in Minden
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte
Eine Menge Gedenken an so viel Fürchterliches begleitet unsere letzten Wochen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich den Überblick verliere. Allen voran der Krieg in der Ukraine, der nun schon seit einem Jahr und einer Woche uns täglich hässliche Bilder und immer wieder neuen Schrecken liefert. Aber da war doch auch vor wenigen Wochen erst das Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und auch an den dritten Jahrestag des Attentates von Hanau wurde gerade erinnert. Nicht zu vergessen die Toten der hoffentlich jetzt bald zu Ende gehenden Coronazeit. Das folgenreiche Erdbeben in Syrien und der Türkei verschwindet auch so langsam wieder aus den Medien und damit aus dem Bewusstsein. Ja, das Gedenken ist wichtig und wir sollten all das nicht vergessen. Manchmal kommt es mir aber so vor, als ob ich daran abstumpfe. Es passiert eben doch so viel. Als ich letzte Woche in Berlin am Breitscheidplatz über die LKW-Sperren gestiegen bin, da fiel es mir erst vor Ort wieder ein, was vor ein paar Jahren dort geschehen war. Vielleicht musste ich das erst vor Augen kriegen, um zu gedenken.
In den Kirchen wird diese Woche der Gottesdienst zum Sonntag „Reminiscere“ gefeiert. „Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte“. Wahrscheinlich ist es gut, nicht nur all der fürchterlichen Dinge in unserer Welt zu gedenken, sondern einfach Gott zu bitten, dass er an uns denken möge. Dann wird es uns auch guttun, zu wissen, dass er auch an alles das gedenkt, was andere und oft genug auch wir in dieser Welt falsch machen. Wir sollten all dieser Dinge gedenken in dem Glauben, dass Gott in Jesus Christus all das gelebt und überwunden hat.

Hendrik Rethemeier
Pfarrer, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinden Buchholz und Ovenstädt