Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

„Worauf wartest du noch?“

Ich bin nicht gut im Warten. Ob auf den Zug, die bestellte Lieferung oder beim Arzt – wenn’s lange dauert, werde ich schnell ungeduldig. Da ist der Advent eine Zumutung. Denn die vier Wochen vor Weihnachten sind nun mal eine Zeit des Wartens. Aber worauf warten wir eigentlich? Nur auf ein paar freie Tage, ein leckeres Festessen und Geschenke unterm Baum? Oder gibt es doch mehr, auf das zu warten sich lohnt?

Die ersten Christen vor 2000 Jahren hatten keinen Adventskalender und keinen Weihnachtsbaum. Und trotzdem haben sie gewartet. Auf die Rückkehr ihres Retters – auf Jesus Christus. Er hatte ihnen versprochen, eines Tages zurückzukommen. Um die Welt zu richten und dann endlich wieder in Ordnung zu bringen, was wir Menschen kaputt gemacht haben.

Dass unsere Welt Rettung braucht, ist auch heute noch leicht zu erkennen. Corona, Klimawandel, Kriege und Flüchtlingskrise – ständig jagt eine Katastrophenmeldung die nächste. Um nicht den Mut zu verlieren, setzen viele Menschen ihre Hoffnung dann auf „innerweltliche“ Hilfe. Die gute Therapie soll den Krebs besiegen, Politiker den Klimawandel stoppen und der Impfstoff uns vom Coronavirus erlösen. Aber es funktioniert nicht. Ganz offensichtlich sind wir Menschen nicht in der Lage, die Probleme dieser Welt in den Griff zu bekommen.

Vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit, wieder weniger auf unsere menschlichen Fähigkeiten zu vertrauen und mehr auf Gott zu setzen. Wie wäre es, wenn wir in den Wochen bis Weihnachten unsern Blick auf Jesus richten würden? Wenn wir – wie die ersten Christen – warten würden auf den der versprochen hat, wiederzukommen und unsere zerbrochene Welt zu heilen? Natürlich wissen wir nicht genau, wann Jesus kommt. Aber dass er wiederkommen wird, hat er fest zugesagt. Und wie die ersten Christen freue ich mich schon jetzt auf diesen Tag. Weil ich weiß, dass dann endlich alles gut werden wird. Probieren Sie es doch auch einmal aus!

Johannes Röskamp

Johannes Röskamp

Pfarrer der Markusgemeinde Minden

Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.

Liebe Leserinnen und Leser!

Zur römischen Kaiserzeit veranstalte man für einen siegreichen Feldherrn bei seiner Rückkehr nach Rom ein prunkvolles Spektakel. In einem Triumphzug in waffenstarrender Parade seiner Legionäre, unter Jubel der römischen Bevölkerung zog der glorreiche Schlachtenlenker in die Ewige Stadt ein. Er selbst fuhr in einem Wagen mit geschmückten Zugtieren, in weißer Robe gekleidet, vor ihm in Ketten gelegt gingen gefangene Feinde. Ein Sklave stand hinter ihm, hielt einen vergoldeten Lorbeerkranz über seinen Kopf und flüsterte ihm beständig zu: „Respice post te, hominem te esse memento.“ – zu Deutsch in etwa: Sieh dich um; denke daran, dass auch du ein Mensch bist. In all dem Triumphjubel, dem Prunk und der Siegestrunkenheit, in dessen Zentrum der große Held stand, steht also auch ein „Memento mori“, ein „Bedenke, dass du sterblich bist“.

Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.“ Diese Worte hören die katholischen Christinnen und Christen beim Empfang des Aschekreuzes am Aschermittwoch zu Beginn der Fastenzeit. Doch auch der Monat November, ist für mich von einem beständigen Erinnern an die eigene Vergänglichkeit geprägt. Das geht vielen Menschen so: nicht umsonst ist der November auch als Totenmonat bekannt. In diesen grauen Wochen liegen die offiziellen Tage für Trauer und Tod, ob kirchlich oder staatlich: am Monatsanfang die katholischen Gedenktage, Allerheiligen und Allerseelen; der Totensonntag der Kirchen der Reformation am Monatsende. Dazwischen liegt der sperrige Volkstrauertag als staatlicher Gedenktag, der an die Kriegstoten und die Opfer von Gewaltherrschaft erinnern soll. Die Tage stehen kalendarisch für eine Kultur der Trauer und Erinnerung, die einst klare Rituale kannte. Diese Rituale, die eine christlich-religiöse Basis hatten, schwinden; sie schwinden deswegen, weil die christlich-religiöse Basis schwindet. An ihre Stelle treten Unsicherheit und Verdrängung im Umgang mit dem Tod, mit den Toten und mit der Trauer.

Der Tod stört. Weil er ein Störer ist, wird er heute aus dem Alltag ausgegrenzt. Der Umgang mit Tod und Trauer ist kulturell und rituell unsicher geworden. Die allgemeinen Totengedenktage des Monats November sind übrig geblieben aus der Zeit, in der das Leben fester gefügt war und es verbindliche Gewohnheiten dafür gab, wie zu trauern ist. An den offiziellen Tagen der Trauer im November hat sich ein Rest der alten Verbindlichkeiten bewahrt; viele Menschen fahren, oft Hunderte Kilometer, „nach Hause“, pflegen die Gräber, stellen rot flackernde Kerzen auf, – wie pulsierende Herzen wirken sie,- Lebenszeichen-, und stehen schweigend davor. Manche hören noch den Gebeten zu. Den alten Worten von Tod, Erlösung und Auferstehung vom Tod, den Kernbotschaften des christlichen Glaubens. Aber vielleicht ist das eine Antwort auf eine Frage, die heute viele Menschen umtreibt: Wo ist meine Heimat? Vielleicht dort, wo das Grab eines nahen Menschen ist.

Das alte Wort von der „letzten Ehre“ war und ist ein gutes Wort: Auch wenn man den Kummer der Angehörigen nicht teilt, ehrt man so den Toten und die, die um ihn trauern. Und man kehrt einen Moment ein in sich selbst – und spürt die eigene Seele, die in diesen Sekunden ihre Endlichkeit begreift.

Man“ (auch ein gern genommenes unbestimmtes Pronomen im Zusammenhang mit dem Tod, um sich so weit es geht vom Faktum der eigenen Sterblichkeit zu distanzieren) geht der Antwort auf die Frage, wie man selbst sterben möchte, gern aus dem Weg. Der Todesakt bleibt unbesprochen. Aber im Blick auf die Beerdigung heißt es oft, dass sie „im kleinen Kreis“ stattfinden soll. Bei genauem Hinsehen ist das ein Privileg derer, die einen großen Kreis erwarten dürfen. Für immer mehr Menschen ist der Kreis ohnehin sehr klein, weil sie niemanden mehr haben

Bedenke, dass du sterblich bist.“ Der Gedanke der eigenen Sterblichkeit gehört zu den Grundvollzügen des menschlichen Lebens dazu. Der Mensch, so können wir begründet annehmen, ist das einzige Wesen auf der Erde, dass über den eigenen Tod reflektieren, nachdenken und sich ausdrücken kann. Dies ist für jede und jeden von uns eine Bürde, aber auch ein Geschenk. Ein Geschenk, weil es uns erst zu Menschen macht: Wesen, die über das eigene Sein hinausdenken, fühlen und hoffen können. Denn das Nachdenken auf den eigenen Tod ist nicht nur der Blick in den dunklen Abgrund des „Nicht-mehr-Seins“. Für uns Christen ist damit auch verbunden das Ergreifen der Hoffnung, dass Jesu Botschaft vom Sieg der Liebe über den Tod nicht bloße Vertröstung ist, sondern in unserem Sterben zu einer echten Wirklichkeit wird. Einer Wirklichkeit, die im Letzten nicht wir begreifen müssen, die aber uns ergreifen wird.

Am Vorabend des ersten Advents, an dem das neue Kirchenjahr beginnt, lohnt es sich, den Totenmonat November nicht einfach mit einem hastigen vorweihnachtlichen Trubel schnell hinter sich bringen zu wollen. Es lohnt ein Blick zurück auf diese tief geprägten vier Wochen, die für die Christinnen und Christen unserer Stadt bei allen alten, überkommenden und neuen Formen der Trauer auch immer mit der tiefen Hoffnung auf Erlösung und Auferstehung verbunden sind.

David F. Sonntag

David F. Sonntag

Pastor im Pastoralverbund Mindener Land

Heimwege

Die schwarze Krawatte sitzt noch etwas eng am Hals. Eigentlich könnte ich sie ein wenig lockern. Die Trauerfeier ist vorbei und ich sitze wieder für mich im Auto nach Haus. Der Abschied auf dem Friedhof ist zu Ende. Alle Gäste sind gegangen. So langsam kehre ich wieder ins normale Leben zurück. Im Autoradio läuft irgendein fröhliches Lied und bald erzählt der Moderator vom anstehenden Wochenende. Gerade denke ich an gar nichts. Oder vielleicht doch noch einmal an die trauernden Angehörigen, von denen ich mich gerade verabschiedet habe. Wie werden sie jetzt nach Hause gehen? Habe ich die richtigen Worte gefunden? War das  tröstlich? Konnte ich auch glaubwürdig etwas christliche Botschaft weitersagen, die mir so wichtig ist? Sie haben sich sogar bedankt. Muss wohl irgendwie gelungen gewesen sein. Ich weiß genau, spätestens, wenn ich mich zuhause umgezogen habe, bin ich bei anderen Gedanken. Das normale Leben ist zurück.
Als Pastor bin ich im Durchschnitt alle ein bis zwei Wochen so unterwegs. Gottesdienstliche Trauerfeiern zu halten, ist ein wichtiger Teil meines Dienstes.
Viele von den Trauernden werden jetzt in den Gottesdienst zum Totensonntag kommen. Bei manchen wird es ein Wiedertreffen sein, weil wir zusammen bei der Trauerfeier und der Beisetzung gewesen sind. Zeit ist vergangen. Bei manchen schon ein ganzes Jahr. Werden wir offen dafür sein, dass Gott sagt: Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen?

Hendrik Rethemeier

Hendrik Rethemeier

Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Lahde