Wort zum Sonntag

Das „Wort zum Sonntag“ von Pfarrerinnen und Pfarrern aus dem Mindener Land gibt es in der Samstagsausgabe des Mindener Tagesblatts – und darüber hinaus auch hier.

Flutkatastrophe

Mitte Juli hat eine Flutkatastrophe im Westen Deutschlands das Land verwüstet. Bilder, wie aus dem Rhein-Erft-Kreis mit dem riesigen Krater, haben mich schockiert. Soviel ist zerstört worden – und das in wenigen Minuten. Niemand kann sich in der Gegend an solche großen Wassermassen erinnern, wo alles verwüstet und kleine Bäche zu reißenden Flüssen wurden. Nun stehen nicht wenige vor den Trümmern ihrer Existenz. Wie werden sie die großen Lasten tragen können?

An die Berichte und Sondersendungen erinnere ich mich gut, aber eine Aussage hat sich fest bei mir eingeprägt: „Unsere Nachbarn haben schneller geholfen als die professionellen Helfer.“ Wie selbstverständlich waren die Nachbarn sofort zur Stelle und kamen mit Schaufeln und Eimern. Überall öffneten Menschen ihre Türen, verliehen Autos und Maschinen und zeigten damit ihre Verbundenheit.

Das erinnert mich an Aussagen, die ich als Pfarrer auf dem Lande immer wieder gehört habe: „Unsere Nachbarn sind wichtiger als die Verwandtschaft.“ Während der Ernte haben sich die Nachbarn mit Trecker und Wagen gegenseitig ausgeholfen. Dem Nachbarn wurde absolutes Vertrauen entgegengebracht. Bei Hochzeiten, Beerdigungen, Konfirmationen und anderen Feierlichkeiten waren sie zur Stelle und halfen. Ich habe es noch erlebt, dass der „erste Nachbar“ zu mir kam, um eine Beerdigung anzukündigen und die weiteren Formalitäten mit mir abzusprechen.

Dem Nachbarn kann man im Grunde gar nicht ausweichen. Er bekommt allerhand von dem mit, was der andere tut. Es gibt gute Erfahrungen mit der Nachbarschaft, aber auch echte Herausforderungen und Konflikte, sowohl in der Stadt, wie auch auf dem Land.

Als Christen kennen wir die Worte Jesu: „Liebe deinen Nächsten/Nachbarn wie dich selbst.“ Es ist gar nicht so einfach, damit als Christ umzugehen und zu versuchen, seinen Nachbarn zu lieben. In diesen Tagen ist die Liebe zu den Nachbarn durch die große Hilfsbereitschaft wieder neu entfacht worden. Die betroffenen Orte werden noch lange von der Liebe und dem Glück des Helfens zehren. Gott sei Dank.

Hans-Walter Goldstein

Hans-Walter Goldstein

Pfarrer in den Ev.-Luth. Kirchengemeinden Buchholz und Ovenstädt

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Sonntags hatte ich immer Geld in der Tasche. Das war der Wochentag, an dem von dem eisernen Grundsatz meiner Mutter „Wir haben hier alles, was du brauchst. Wozu also Taschengeld?“ abgewichen wurde. Ich hatte Geld in der Tasche! Zwei Geldstücke für die Kollekten im Gottesdienst und mehrere kleinere für die Eisdiele im Ort. 30 Pfennig für eine große Kugel oder drei kleine Kugeln Eis jeweils im Hörnchen. Für die Kollekte gab es 1 Mark. Das wäre sehr viel Eis gewesen….Aber hierbei ging es um etwas anderes. Um den guten Zweck. Das sagte mir damals wenig. Auch der Begriff Gerechtigkeit war mir sprachlich fremd, aber als Geschwisterkind erfahrungsmäßig vertraut. Was heißt Gerechtigkeit zu üben? Zum Beispiel, sich für andere einzusetzen, denen Unrecht geschieht. Darüber finden wir viele Aussagen und Geschichten in der Bibel. Jeden Sonntag wird im Gottesdienst die Kollekte zur ausgleichenden Gerechtigkeit eingesammelt. Eine Bargeldspende, die die diakonische und gemeinschaftliche Dimension christlichen Lebens aufzeigt. Eine Segensgabe soll sie sein, schreibt der Apostel Paulus, die mit Dankgebeten für die Güte Gottes begleitet wird. So wird ein bisschen mehr Gerechtigkeit mit kleiner Münze hergestellt.

Heute fragen wir nach Klimagerechtigkeit und nach weltweiter wirtschaftlicher Gerechtigkeit. Sehr komplexe Zusammenhänge werden hier diskutiert. Die kleine Münze reicht da nicht. Oder doch? Was Christinnen und Christen im Gottesdienst Kollekte nennen, heißt in diakonischem Zusammenhang Katastrophenhilfe, wie sie jetzt wieder im eigenen Land benötigt wird. Aber auch Crowdfunding, wenn zum Beispiel viele zusammenlegen, um über Aktienfonds „grüne“ Vorhaben wirtschaftlich um zu setzen. Viele kleine Münzen zusammengelegt, führen mit sehr verschiedenen Projekten zu mehr Gerechtigkeit. Immer gilt: Zum jetzigen Zeitpunkt sollt ihr mit eurem Überfluss dem Mangel der anderen abhelfen. Später kann dann einmal deren Überfluss eurem Mangel abhelfen. So kommt es zu einem gerechten Ausgleich. (2. Kor.8,14)

Und mein Eis habe ich nach dem Gottesdienst mit Genuss gegessen.

Ulrike Lipke

Ulrike Lipke

Pfarrerin, Schulreferat Minden

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Ich kenn´ da ne Abkürzung

Wird eine Nachricht mit „MfG“ beendet, möchte sie „Mit freundlichen Grüßen“ gelesen werden. Zahlenkürzel wie „116“ bezeichnen die Reihenfolge der Anfangsbuchstaben im Alphabet: „AAF“ („auf alle Fälle“). Abkürzungen beschleunigen die Kommunikation in den sozialen Medien. Sie sparen Zeit. Doch Geschwindigkeit geht oft zu Lasten der Eindeutigkeit: „HDGDL“ kann entweder innigste Zuneigung (Hab Dich Ganz Doll Lieb) oder Gegnerschaft (Hab Dich Gedisst Du Looser) bedeuten. Geschwindigkeit macht Spaß, verlangt aber Phantasie, die Kenntnis des Zusammenhangs und die Bereitschaft, sich überraschen zu lassen.

Wer gern mit dem Mountainbike unterwegs ist, kennt die Genuss spendende Kraft von Abkürzungen, sogenannten Short-Cuts. Die möglichst kürzeste Verbindung zwischen Gipfel und Talsohle verspricht Nervenkitzel, Herausforderung – und manchmal den schmerzhaften Kontakt mit Baumwurzeln oder anderen Unterholzüberraschungen. Jede Pilgergruppe, die dem Hinweis „Ich kenn da ne Abkürzung“ folgend im Brombeergestrüpp landete, wird Jahre später noch von dem zauberhaften Aroma der Waldbrombeeren schwärmen.

Mose, der König der Abkürzungen, zog mit den Israeliten nicht um das Schilfmeer herum – wie es vielleicht der Wanderführer geraten hätte. Er kannte die Gegend um das Schilfmeer und das Naturphänomen eines trockenen Ostwindes, der das Wasser zurücktrieb und eine direkte Querung des Wasserarms zu Fuß ermöglichte. Den Ägyptern, die diesen Zusammenhang nicht kannten, wurde diese Abkürzung zum Verhängnis. Das Wasser war zurückgekommen und begrub „Ross und Reiter der Soldaten des Pharaos“. Gute Abkürzungen versprechen Freiheiten und schütteln die Verfolger ab, die mich in fremdbestimmte Lebensverhältnisse zurückziehen möchten.

Denn Abkürzungen führen von bekannten Wegen ins Unbekannte, vom Berechenbaren ins Abenteuer. Die Geschichte von dem Schilfmeer-Shortcut unter Moses Leitung erzählt die Folgen der Abkürzung: 40 Jahre Wanderung durch die Wüste Sinai. Alle Beteiligten dieser Reise lernen unterwegs, sich immer weniger auf sich selbst und die eigenen, bewährten Erfahrungen zu verlassen. Die entbehrungsreiche und konfliktbeladene Reise führt sie immer mehr in den Einflussbereich einer Macht, die aufrechtes Leben und Genuss spendende Gemeinschaft fördert. Am Ende landet diese Pilgergruppe im gelobten Land dort, wo Milch und Honig fließen.

Nicht immer sparen Abkürzungen Zeit, manchmal sind sie der Beginn von Umwegen. Immer fordern sie komplette Aufmerksamkeit und verbessern die Orts- und Selbstkenntnis. Wie reagieren Sie auf den Hinweis „Ich kenn da ne Abkürzung…“?

WeS*

Frieder Küppers

(*wünsche erholsamen Sommer) ulipke@schulreferat.org

Frieder Küppers

Frieder Küppers

Pfarrer, St. Marienkirchengemeinde Minden